Sowohl die Baustoffindustrie also auch die Automobilbranche verzeichnen eine steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen, natürlichen Rohstoffen. Im kasachischen Ölleinanbau fällt das Nebenprodukt Ölleinstroh an, welches zu einem industriellen Faserrohstoff verarbeitet werden kann. Bisher bleibt dieser Rohstoff wirtschaftlich jedoch weitestgehend ungenutzt. Das deutsch-kasachische Projekt LINOKAS entwickelt daher ein kostenreduziertes und damit wirtschaftlich tragfähiges Aufbereitungsverfahren für Ölleinstroh und testet Verarbeitungsstufen vor Ort.
Vom Problemstoff zum Rohstoff
Kasachstan hat sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit bedeutendsten Produzenten und Exporteure von Leinsaat entwickelt. Das kontinentale Klima eignet sich sehr gut für den Ölleinanbau. Gleichermaßen ermöglicht die Integration der zusätzlichen Feldfrucht Öllein die Auflockerung der bisher vor allem durch Sommerweizen dominierten Fruchtfolgen.
Allerdings stellt das faserhaltige, schwer verrottbare Stängelmaterial des Ölleins (Stroh) die Landwirte nach dem Winter vor große Probleme bei der Aussaat der Folgefrucht. Derzeit wird auf einem Großteil der Anbaufläche das Ölleinstroh unkontrolliert auf dem Feld verbrannt.
Im Rahmen von LINOKAS entwickeln deutsche und kasachische Partner aus Landwirtschaft, Industrie und Forschung über drei Jahre speziell angepasste Verfahren, um aus dem derzeitigen landwirtschaftlichen „Problemstoff“ Ölleinstroh einen industriell nutzbaren Faserrohstoff und beispielhaft ein Bauprodukt herzustellen. In Kooperation mit Partnern in Kasachstan soll ein Anbauverfahren für die gleichzeitige, d.h. Koppelnutzung von Öllein zur Gewinnung hochwertiger Samen und Faserrohstoffe entwickelt werden. Unterstützt werden diese Arbeiten durch deutsche Projektpartner im Bereich der Anpassung von Technik zur Ernte und Bergung des Strohs. Unter Einbeziehung dieser Erkenntnisse entwickelt die deutsche Seite eine den regionalen Bedingungen angepasste Technologie zur Aufbereitung von Ölleinstroh. Damit soll in der Zielregion die Voraussetzung geschaffen werden, in landwirtschaftsnaher Wertschöpfung einen transportfähigen Faserrohstoff für den Export bzw. die Weiterverarbeitung zu einem innovativen Dämmstoff herzustellen und zu vermarkten.
Nachhaltige Ressourcennutzung
Sorten- und Anbauversuche der kasachischen Partner erlauben eine gezielte Auswahl von Öllein-Sorten und eine entsprechende Anpassung des gesamten Anbauverfahrens an die Erfordernisse der Koppelnutzung von Samen und Stroh. Diese Versuche werden im zweiten und dritten Projektjahr wiederholt, um jahreszeitliche Einflüsse berücksichtigen zu können. Neben einheimischen Sorten werden auch europäische Öllein-Züchtungen geprüft. Aus der Ernte resultierendes Stroh wird Lagerungsversuchen unterzogen und anschließend mit spezifischen Labormethoden aufbereitet. Auch die resultierende Faserqualität wird bewertet. Parallel werden vergleichende Technikumsversuche mit Erntebiomassen aus dem landwirtschaftlichen Anbau durchgeführt. Hieraus ergeben sich grundlegende Erkenntnisse zur Entwicklung, Konstruktion und Fertigung wesentlicher Komponenten der für die Umsetzung in Kasachstan vorgesehenen Aufbereitungsanlage. Schließlich soll ein leicht zu verarbeitender Einblas-Dämmstoff aus Ölleinfaser entwickelt sowie Möglichkeiten und technische Konzepte zur entsprechenden Anwendung erprobt werden.
Die Praxisrelevanz der Projektergebnisse ergibt sich daraus, dass kein spezieller Anbau von Faserpflanzen im Flächenwettbewerb mit Lebensmittel- oder Futterkulturen erfolgen muss, sondern das Ausgangsmaterial Faserstroh bereits im Öllein-Anbau anfällt. Die Lösung eines bisher eminenten Umweltproblems kann nach erfolgreicher Fasergewinnung und Verarbeitung zu Zwischen- und Endprodukten sogar zu zusätzlichen Erlösen für die Landwirte aus dem Öllein-Anbau führen.
Umsetzungsperspektiven
Nach Auswahl sowohl zur Samen- als auch Strohernte geeigneter Ölleinsorten steht ein entsprechendes Anbausystem zur Koppelnutzung zur Verfügung und kann in die bestehenden Fruchtfolgen in Kasachstan integriert werden. Nach einer qualitätsorientierten Zwischenlagerung des faserhaltigen Rohstoffs wird dieser mithilfe einer neuen Entholzungstechnik vor Ort zu einem transportfähigen bzw. weiterverarbeitbaren Zwischenprodukt aufbereitet. Damit werden direkt in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Produktion in Kasachstan zusätzliche Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten geschaffen. Aber auch über die direkten Partnerschaften im Forschungsvorhaben hinaus werden Multiplikationseffekte in andere Regionen mit entsprechend gestiegenen Exportmöglichkeiten der deutschen Maschinenbaupartner erwartet.
Dachdämmung mit Bastfasern. © Hanffaser Uckermark e.G.
Der deutsche Baustoffsektor sowie die deutsche Automobilindustrie sind zunehmend an natürlichen umweltfreundlichen Rohstoffen und Naturfasern interessiert. Verwendet werden bereits Flachs, Hanf und importierte Fasern, beispielsweise zur Herstellung von Kfz-Innenraumverkleidungen. Bereits zum Einsatz kommende Flachsfasern werden derzeit aus dem genetisch gleichen Faserlein gewonnen, welcher jedoch modebedingt den Preiseinflüssen der Textilindustrie unterliegt. Daher betrachtet LINOKAS eine Substitution bzw. Ergänzung mit Ölleinfasern in der laufenden Produktion als realistisch.